Die Weide

Die Weiden sind eine Gattung von ausdauernden, verholzenden Gewächsen mit vielen Arten, vom Zwergstrauch, der sich kaum über den Boden erhebt, bis zum 30 m hohen Baum. Die in unserer Gegend verbreitetsten Arten sind die Korbweide (Salix viminalis), die Salweide (Salix caprea) und die Silberweide (Salix alba). Die Kopfweiden sind keine eigene Art; sie entstehen dadurch, dass sie vom Menschen immer wieder beerntet werden. Sie schlagen zuverlässig wieder aus. Im April bei Neumond geschnitten, heißt es, halten die Ruten alles fest, was damit gebunden wird. Das gibt stabile Körbe – oder was immer daraus gefertigt wird.

Weiden sind sehr schnellwüchsig. Sie besiedeln feuchte Standorte in sonniger Lage. Sie begleiten Fließgewässer und befestigen mit ihrem verzweigten Wurzelwerk deren Ufer. Sie bilden Auwälder und sind auch an Waldrändern zu finden.

Die Blätter der unterschiedlichen Arten sehen sehr verschieden aus, von schmal-lanzettlich bis eirund. Alle sind hellgrün und unterseits leicht behaart. Und bei allen Weiden sitzt ein Blatt immer um 144° gegenüber dem vorigen oder nächsten am Zweig verdreht, sodass jedes fünfte wieder in dieselbe Richtung weist.

Weiden sind zweihäusig getrenntgeschlechtlich. Die männlichen „Kätzchen“ sind dick und eiförmig, die weiblichen länglich-walzenförmig und grünlich. Nur bei den Trauerweiden können weibliche und männliche Blüten zusammen auf demselben Baum stehen. Bestäubt werden die Blüten von Bienen und Hummeln. Weidenpollen sind die erste Bienennahrung im Frühling, und Weiden stehen darum während der Blüte unter Naturschutz. Die Samen entwickeln sich bei den meisten Arten sehr rasch und werden vom Wind verbreitet. Die Weiden können sich aber auch vegetativ vermehren, z.B. durch abgebrochene und angeschwemmte Zweige. Für die gezielte Vermehrung eignen sich 25 cm lange Steckhölzer, die zwischen November und März – aber auch zu anderen Jahreszeiten – in den Boden gesteckt werden.

Im Volksglauben war die Weide ein „böser“ Baum, weil Judas sich an einer Weide aufgehängt haben soll. Sie war der Baum der Selbstmörder. Auch sollten Hexen und Dämonen in ihren oft hohlen Stämmen wohnen.

Andererseits gehören ihre Zweige in die Palmbuschen und sind somit Lebensruten; darum werden sie auch Palmkätzchen oder Weihbuschen genannt.
Die Weide war auch Demeter und Persephone heilig. Persephone musste ja jeden Winter unter der Erde bei Hades verbringen und kam erst im Frühling wieder ans Tageslicht. So ist die Weide mit ihrer erstaunlichen Regenerationsfähigkeit ein Symbol für die Wiedergeburt.

In Goethes Gedicht sind die Kopfweiden im Nebel die Töchter des Erlkönigs (auch Erlen wachsen auf feuchtem Grund). Und Ophelia in Shakespeares „Hamlet“ singt das Lied von der Weide, ehe sie ins Wasser geht.

Die Korbweiden sind die heilkräftigsten unter den heimischen Arten; aber auch die anderen sind tauglich. Verwendet wird die Rinde von 2- bis 3-jährigen Ruten. Wegen ihrer Bedeutung als Bienenweide schneide bitte Ruten zum Schälen erst nach der Blüte! Trockne die Rinde an der Luft.

Die Rinde enthält u.a. Salicin und Salicin-Derivate, Flavonoide und Gerbstoffe. Salicin und seinen Derivate werden im Stoffwechsel in Acetylsalicylsäure  (ASS) umgewandelt. Aus Salicin wurde das ursprüngliche Aspirin entwickelt, das meistverwendete Schmerzmittel der Welt. Heute wird ASS synthetisch hergestellt. Vor der Entdeckung des Chinin war die Weidenrinde auch eines der wichtigsten Mittel gegen Fieber und Wechselfieber und konkurrierte noch lange mit ihm. 

Für den Tee übergieße 1 TL der Droge mit ¼ l kaltem Wasser, koche einmal auf und lasse dann noch 5 Minuten ziehen – oder lass den Kaltauszug über Nacht stehen. Die Tagesdosis beträgt 2 Tassen. Bei höherer Dosierung können die Gerbstoffe Magenbeschwerden verursachen.
Eine Essenz aus der frischen Weidenrinde hat dieselbe Wirkung.
Weidenrinde ist für Schwangere tabu.

Die Weidenrinde ist ein gutes Beispiel dafür, dass einen Heilpflanze sich nicht auf einen Inhaltsstoff reduzieren lässt. Die Wirkung der Weidenrinde ist stärker, als der Salicingehalt vermuten ließe. Es wird angenommen, dass es Synergieeffekte zwischen Salicin und den Flavonoiden gibt. Vielleicht ist es aber auch noch anders, und der Geist der Weide, der im extrahierten Salicin nicht mehr ist, wirkt mit … Auch verursacht die ganze Droge weniger Nebenwirkungen als das synthetische ASS.

Weidenrinde wirkt schmerzlindernd, blutstillend, fiebersenkend, nervenstärkend, zusammenziehend, keimtötend und stopfend.

  • Bei entzündetem Zahnfleisch oder geschwollenen Mandeln mit dem Tee gurgeln.
  • Tee und Sitz-, Teil- oder Vollbäder wirken gut bei Rheuma oder Ausfluss. Die Bäder mit einem Dekokt herrichten.
  • Das Dekokt (Absud) kann auch als Haarspülung gegen Schuppen verwendet werden.
  • Der Tee findet Anwendung bei fieberhaften Infekten, Erkältungskrankheiten, Rheuma, Gicht, Arthritis, Neuralgien, Durchfall und Blutungen. Er wirkt schweiß- und harntreibend.
  • Die angequetschten Blätter eignen sich als Wundauflage: Die Wunde verheilt damit sauber. Auch eine Auflage mit dem Absud hilft gut.
  • Weidenblütenknospen sind ein gutes Beruhigungsmittel: einfach abpflücken und essen – aber bitte nicht in Massen ernten; wir haben auch andere Beruhigungsmittel, die Bienen um die Zeit aber keine andere Nahrung.
  • Weidenrinde und Lindenkohle, fein gepulvert und zu gleichen Teilen gemischt, ergeben ein gutes Wundstreupulver bei offenen Geschwüren und schlecht heilenden Wunden.

Ein Fiebertee-Rezept: 3 Teile Weidenrinde, 1 Teil Enzianwurzel, 2 Teile Fieberkleeblätter, 2 Teile Wasserdostkraut, 1 Teil Rosmarinblätter. 1 TL der Mischung mit 1 Tasse kaltem Wasser übergießen, erhitzen, kurz aufkochen. Dann ziehen lassen und abseihen – Tagesdosis 2 bis 3 Tassen. (nach Susanne Fischer-Rizzi)