Echte Nelkenwurz
Bot. Name: Geum urbanum (Familie der Rosengewächse)
Die Nelkenwurz ist eine ausdauernde, immergrüne, krautige Pflanze. Sie heißt Nelkenwurz, weil ihre Wurzel nach Gewürznelken duftet. Das Adjektiv urbanum weist darauf hin, dass die Pflanze häufig im menschlichen Siedlungsraum zu finden ist. Als Heilpflanze ist sie außer Gebrauch gekommen, aber in den Klostergärten wurde sie gezogen und von Hildegard bis Pfarrer Künzle war sie geschätzt. Sie war auch Bestandteil von Kräuterlikören und hieß darum Benediktinerkraut. Andere volkstümliche Namen sind Hasenauge, Heil aller Welt, Igelkraut (wegen der Gestalt der Früchte), Weinwurz (wurde auch als Weinwürze verwendet, wie der Muskatellersalbei), Mannskraftwurzel, Nägleinkraut, Nardenwurzel.
Die Echte Nelkenwurz hat ein kurzes, dickes Rhizom als Speicherorgan, aus dem wie ein Bart die Wurzeln wachsen. Sie bildet eine grundständige Blattrosette aus sowie eine aufrechte verzweigte Sprossachse, die bis zum 1 m hoch werten kann. Das Rhizom sichert vegetative Vermehrung, die im Vergleich zur geschlechtlichen die größere Rolle spielt. Alle oberirdischen Pflanzenteile sind behaart. Die Rosettenblätter sind langstielig, unregelmäßig unpaarig gefiedert, oberseits behaart, die Stängelblätter kurzstielig, nach oben zu kleiner werdend. Auffällig sind die runden Nebenblätter.
Die Blüten sind fünfzählig, leuchtend gelb, mit einem auffälligen grünen Außenkelch aus dreieckigen Kelchblättern. Die Kronblätter sind rundlich und 3 bis 6 mm lang. Es gibt männliche, weibliche und zwittrige Blüten, die oft gemeinsam auf einer Pflanze vorkommen, aber auch einzeln. Es ist, als ob die Pflanze mit der geschlechtlichen Vermehrung experimentierte, während sie sich zugleich auf die vegetative verlässt. Die Nelkenwurz kann sich selbst bestäuben, wird aber auch von Fliegen, Schwebfliegen und Käfern besucht. Die Blüten erscheinen von Mai bis September.
Die Früchte sind klettenartig behaarte Nüsschen, die im Fell von Tieren, aber auch an der Kleidung von Menschen hängenbleiben und so verbreitet werden.
Die Nelkenwurz dient den Raupen verschiedener Falter als Nahrungsquelle.
Die Nelkenwurz ist in ganz Europa, im westlichen Nordafrika und im gemäßigten Asien zu Hause. In Neuseeland und Australien ist sie eingebürgert. Sie braucht nährstoffreichen Boden und liebt lichte, frische krautreiche Laubwälder, Auenwälder, Waldwege, Lichtungen, Gebüsche und Waldsäume als Standort, auch schattige Ruderalfluren in Städten. In den Alpen klettert sie bis 1000 m Höhe. Sie vergesellschaftet sich gern mit der Knoblauchsrauke.
Als Droge wird hauptsächlich die Wurzel verwendet, die im Frühjahr oder im Herbst gegraben werden kann. Aber auch die oberirdischen Pflanzenteile können als Tee zubereitet werden.
Nelkenwurz enthält vor allem Gerbstoffe, Bitterstoffe und Ätherische Öle. Im Ätherischen Öl ist Gein enthalten, das bei Verletzung der Wurzel vom pflanzeneigenen Enzym Gease in Eugenol und das Disaccharid Vicianose gespalten wird. Eugenol ist auch im Äth. Öl der Gewürznelke enthalten, und darum duftet die Wurzel der Nelkenwurz wie Gewürznelken. Das Ätherische Öl wirkt antibakteriell, entzündungshemmend und schmerzlindernd.
Gerbstoffe haben eine zusammenziehende, abdichtende Wirkung. Darum ist die Wurzel gut zur Blutstillung und bei Schleimhautentzündungen im Mund und im Magen-Darm-Trakt. Bitterstoffe aktivieren die entsprechenden Geschmacksknospen auf der Zunge und aktivieren so die Ausscheidung von Speichel, Gallensaft, Magensaft und Pankreassekreten. So werden Verdauungsbeschwerden verhütet bzw. gelindert. Die gelbe Blütenfarbe ist eine Jupitersignatur und weist auf die Wirksamkeit auf Leber und Galle hin. Der Kräuterpfarrer Künzle nutzte Nelkenwurz auch bei Blasenschwäche, Gehirnhautentzündung und Zahnschmerzen. Hildegard von Bingen verordnete sie als Aphrodisiakum.
Nelkenwurz dient als Zusatz in Zahncremes und Mundwässern. Und die jungen Blätter können als Salat oder Gemüse gegessen werden.
Die Droge kann auch verräuchert werden als Schutz oder zur Reinigung von Räumen.
Früher wurde die Wurzel in einem Beutelchen als Amulett getragen, zum Schutz oder zur Stärkung der erotischen Anziehung. Trägt man das Amulett auf der Herzgegend, so schützt es vor Infarkt. Oder man hat die Wurzel pulverisiert – zum sog. Malefizpulver – und zur Abwehr negativer Energien ausgestreut, z.B. als Kreis um einen Ritualplatz.
In meinem Garten macht sich neben der Knoblauchsrauke – siehe oben! – auch die Nelkenwurz breit. Beide fordern meine gärtnerische Achtsamkeit heraus. Ich wusste bisher wenig über sie. Aber sie fällt mir auf, seit ich hier wohne. Ich habe beschlossen, statt sie weiterhin als lästig anzusehen, sie besser kennenzulernen. Vielleicht verrät sie mir ja, warum sie hier ist.