Meine Wohngemeinschaft
Seit dreiundzwanzig Jahren habe ich das große Glück, in einem Einfamilienhaus mit einem kleinen Garten darumherum zu wohnen. Erbaut als Familiendomizil, beherbergt es jetzt drei Student*innen, meine Katze und mich. Außerdem wohnen unter derselben Adresse allerhand Pflanzen und Tiere, die sich diesen Platz zum Leben ausgesucht haben – abgesehen von den Pflanzen, die ich selbst hier einquartiert habe.
Hier sind die Echte Nelkenwurz, das Johanniskraut, die Gundelrebe und die Zaunrüber, weiter finden sich die Walderdbeere, der Kriechende Günsel, das Ruprechtskraut und manch andere. Dann sind da viele Vögel, die teilweise meine Kostgänger sind, wie Elstern, Amseln, Blau- und Kohlmeisen, Rotkehlchen, Gartenrotschwanz, manchmal ein Specht oder eine Schwanzmeise. Natürlich beschränken diese Mitbewohner sich nicht auf eine Hausnummer.
Auch Tiere, die auf oder in Bäumen, am oder im Boden leben, wohnen hier: Eichhörnchen, verschiedene Schnecken, eine Ringelnatter, Hummeln, Bienen, Ratten. Letztere habe ich ganz sicher nicht eingeladen, aber sie kamen, weil ich Fehler beim Kompostieren begangen habe; glücklicherweise kümmert sich meine Katze mit Geschick, Ausdauer und Appetit um sie. Mäuse gibt es auch, und viele kleine Wesen in der Luft, im Boden, auch in den Zimmer, wie z.B. Weberknechte, Fruchtfliegen und Spinnen.
Was für eine Beziehung habe ich zu ihnen allen?
Nehme ich sie wahr im Alltag?
Heiße ich sie willkommen? Alle? Oder nur die Schönen und Niedlichen oder die Nützlichen gar?
Es ist wohl wie mit allen Phänomenen meines Lebens: manche schließe ich sofort ins Herz, andere sind wohlgelitten oder gern gesehen. Manche wünschte ich eher weit fort. Aber das hilft ja nichts. Ich will sie lieber auch annehmen, wenn sie schon einmal da sind.
Von Heilpflanzenkundigen ist zu hören, dass es von Bedeutung ist, welche Wildpflanzen sich im Garten oder vor der Haustür ansiedeln. Soweit es sich um Heilpflanzen handelt – und das sind ja beinahe alle Wildpflanzen -, kommen sie, wenn sie gebraucht werden, und gehen danach auch wieder oder machen sich zumindest rarer. Ich habe das selbst beobachtet. Stinkender Storchschnabel oder Ruprechtskraut ist ein Kraut, das hilfreich ist bei unverarbeiteten Traumen; es besetzt auf seine zierliche, leichtfüßige Art meinen ganzen Garten – und ich weiß jetzt auch warum. Oder die Gundelrebe (auch Gundermann genannt): sie kam, als sie wegen Akne gebraucht wurde, jetzt sind nur noch wenige Pflänzchen da.
Vielleicht verhält es sich mit den Tieren auch so?
Und dann gibt es ja noch die, die auf Fotos nicht abzubilden sind, die Naturwesen, die im Garten hausen und wirken. Ich kann sie nicht sehen, aber sie müssen da sein – und ich danke ihnen dafür, wie auch allen anderen Mitbewohner*innen.
Kennst Du Deine Wohngemeinschaft?